Geburt auf dem Dorf.

Es war im Ersten Weltkrieg, am 17. Juli 1915. In Frohnhofen in der Pfalz wollte ein Kind auf die Welt kommen. Zuerst mußte aber Hilfe gerufen werden. Mein Vater lag damals in Frankreich als Soldat im Feld. Meine Mutter Ida Böhnlein, geborene Schleppi, bat unsere Nachbarin Katharina Drumm bei ihr zu bleiben und bei der Geburt zu helfen. Eine Geburt im Krankenhaus war damals noch undenkbar und gegenseitige Hilfe unter den Nachbarsfrauen bei der Geburt war selbstverständlich.

"Dromms Modder" war eine hilfsbereite Frau, selbst Mutter von fünf Kindern und sie kam dann auch sofort zu uns. Es war ein Samstagmorgen und weil die Kirschen gerade reif waren, hatte sie schon Hefeteig für einen Kirschkuchen angerührt. Jede Hausfrau weiß ja, daß man auf einen Hefeteig besonders Obacht geben muß, damit er nicht über die Schüssel "geht". Um das zu verhindern, befahl Drumms Mutter einem von ihren Mädchen den Teig zu überwachen, bis die Geburt vorbei war und die tat das dann auch treu und brav, indem sie von Zeit zu Zeit ihren Zeigefinger in den Teig steckte.

Jetzt mußte noch die "Ammbaas", die Hebamme gerufen werden. Es war dies Pauline Häßel, geb. Korb aus Niederkirchen im Ostertal. Sie wohnte im Nachbardorf Altenkirchen und unser Nachbarsbub Karl Gerber aus "Ritze" erledigte die Sache mit seinem Fahrrad. "Ritze Karl" wurde dann auch mein "Patt". Ich wurde auf den Namen Elisabetha getauft, so sagte aber niemand zu mir. Die Männer zu Hause sagten Lisbetchen, alle anderen Liesel. In dieser Zeit kamen noch die "Bodderweibsleit" aus Breitenbach. Sie kauften den Bauersfrauen die Butter ab, die sie auf dem Markt in Neunkirchen weiterverkauften. Eine davon hätte einmal an meiner Wiege gekniet und gejammert: "Mei armes Kind, han se dich Bettche gedaaft !"; Bettchen hießen bei uns damals nur die alten Frauen.

Vom Tag meiner Geburt hat mir Mutter oft erzählt; auch sind diese Tage schriftlich festgehalten. Vor kurzem habe ich nach vielen Jahren zum ersten Mal wieder die alten Alben mit den Feldpostkarten durchgesehen, die meine Mutter in Frohnhofen gut verwahrt hatte; dafür bin ich ihr heute noch dankbar. Ich habe dabei auch eine Karte gefunden, die Drumms Mutter an meinen Vater ins Feld geschrieben hatte. Da heißt es: "Friedrich, du brauchst dich nicht zu bedanken, das war Nachbarschaftshilfe." Gemeint ist damit ihre Hilfe bei meiner Geburt. Eine andere Karte stammt von meinem Onkel Eduard, einem Bruder meines Vaters. Er gratulierte ihm darin zu seiner Tochter. "Du hast wohl eine kleine Prinzessin bekommen!", schreibt er. Mein Vater war bestimmt ganz aus dem Häuschen, weil er schon zwei Buben hatte und nun ein Mädchen.

Im Zweiten Weltkrieg, als beide Söhne im Feld waren, hat mir mein Vater dann gestanden, daß ich eigentlich kein Wunschkind war. Ich höre ihn heute noch, wie er, den Tränen nahe, zu mir sagte: "Was derre mer heit noore a(n)fange ohne dich!". Beim Durchblättern der Alben kamen mir selber oft die Tränen, ich konnte nun vieles besser verstehen, was unsere Vorfahren erlebt hatten. Die vielen Feldpostkarten erzählen von Hoffnung und von Trauer. Aber auch wir Kinder blieben von Tod und Elend und armer Zeit nicht verschont.



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